hamerlingstraße 11, 3910 zwettl
zeitraum: 2000-2003
leistung: vorentwurf, entwurf, einreichung, ausführungsplanung, kostenermittlungsgrundlagen, künstl.- techn.- geschäftl.- oberleitung, örtl. bauaufsicht
statik: di georg schrattenecker
freiraumgestaltung: in kooperation mit di julia backhausen
fotos: di gerhard abel
text: martin lengauer
plan: download (pdf)
erdigkeit unter dach
ein dachgeschossausbau in zwettl setzt auf pure materialqualität
die bäckerei und konditorei fröschl ist ein innovatives und kundennahes traditionsunternehmen im zentrum der waldviertler bezirksstadt zwettl. wolfgang fröschl, ein weltoffener und kulturinteressierter bäcker und konditor, übernahm vor wenigen jahren den betrieb von seinen eltern und bewies mit dem umbau des geschäftslokales erstmals mut zu hochwertiger architektur. zudem erkannte der junge unternehmer die architektonische qualität des ehemaligen mehl- und kornlagers im dachgeschoss des betriebsgebäudes und fasste es als raum für seine privatwohnung ins auge.
im dezember 2000 bat er architekt di horst zauner, eine raumlösung für den insgesamt 160 m2 großen dachboden zu entwickeln, dessen bestimmende elemente – die gespärre (vulgo „binder“) des dachstuhls – eine beeindruckende skulpturale kraft entfalten. der raumquerschnitt und die statische beschaffenheit des bestandes ließen glücklicherweise einen umbau ohne eingriff in die substanz zu. die kniestockhöhen waren ausreichend, die decke bedurfte keiner verstärkung, die gespärre konnten unverkleidet bestehen bleiben. der einreichplan sah noch den ausbau des gesamten dachbodens vor, die hälfte (rund 80 m2) wurde tatsächlich als wohnraum neu adaptiert, wobei einer künftigen ausweitung der wohnfläche nichts im wege steht.
erdige gespärre
die größte herausforderung des dachgeschossausbaus stellte sicherlich der umgang mit den gespärren dar. es galt, sowohl ihre beindruckende raumwirkung als auch ihre rohe materialqualität zu erhalten und in anderen bestandteilen der einrichtung fortzusetzen. konsequenterweise wurden sämtliche raumbildenden elemente vor oder hinter den bindern platziert, auf deren verkleidung verzichtet. die gesamten ausstattungsdetails betonen ihre eigenmaterialität, statt polierter geschniegelter oberflächen ist erdigkeit angesagt. für die ausführung gilt die prämisse: exakte makrostruktur der einbauten, individuelle mikrostruktur ihrer oberflächen – das material darf sein „eigenleben“ entfalten und seinen alterungsprozess zur schau stellen:
- - als boden reicht der versiegelte zementestrich, der die spuren der verarbeitung nicht verbirgt.
- - magnesitgebundene holzwolleplatten kleiden die dachflächen aus und sorgen für optimale raumakustik.
- - sämtliche tischlerelemente zeigen ungeniert ihre ungeschminkte „haut“, seien es sandgestrahlte mdf-platten im wohn-, schlaf- und küchenbereich oder zementgebundene spanplatten im nassbereich. letztere bilden beim abbindungsvorgang besonders eigenwillige oberflächenstrukturen aus; als material für badezimmerschrank und verkleidung sind sie eine – extrem kostengünstige – novität und belegen die experimentierfreudige partnerschaft von bauherr und architekt.
- - im wohnschlafbereich lädt eine raumprägende bank aus sichtbeton zum gemütlichen verweilen. sie wird durch die schläuche der fußbodenheizung erwärmt und ersetzt so einen kachelofen. ihr exakter baukörper offenbart bei näherer betrachtung einschlüsse und betonnester, der kantenverlauf ist nicht auf linie geschliffen. derartige „fehler“ sind durchaus erwünscht, setzen sie doch die grobporige oberflächenbeschaffenheit der gespärre fort.
badewanne mit terrasse
bemerkenswert auch, wie die planung dem wunsch des bauherrn nach einer dachterrasse nachkam: dem bedarf nach ruhe und nachmittagssonne entsprach eine ausrichtung der terrasse nach südwest, hin zum stillen innenhof des betriebsgebäudes. der bietet jedoch aufgrund seiner gewerblichen nutzung keinen attraktiven anblick, weshalb der verzicht auf „aussicht“ nahe lag. am terrassenrand wächst nun entlang eines rankgerüsts aus streckmetall wilder wein empor und wird in wenigen jahren eine semitransparente abgrenzung zum hof geschaffen haben.
recht offen gestaltet sich hingegen die beziehung zwischen wohn- und außenraum. ein abnehmbarer holzlattenrost über der badewanne, gedacht als sitz- und ablagefläche, findet, nur durch das fensterglas getrennt, seine fortsetzung als sonnenbank auf der terrasse.